19.02.2020 | Pressemitteilung

Expertenkommission kritisiert mangelnde China-Kompetenz in Deutschland

Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) übergab Bundeskanzlerin Angela Merkel heute in Berlin ihr Jahresgutachten.

Bild: EFI / David Ausserhofer
Der Kasseler Professor Dr. Holger Bonin (2. v.l.) ist Mitglied der Expertenkommission.

Nach Einschätzung der Expertenkommission braucht ein produktiver wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Austausch mit China Köpfe, die mit der chinesischen Sprache und Kultur gut vertraut sind, aber auch die Märkte, institutionellen Rahmenbedingungen und politischen Strukturen dort gut kennen. „Eine solche umfassende China-Kompetenz ist in Deutschland bisher aber kaum anzutreffen“, kritisiert Prof. Dr. Holger Bonin,  Professor für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt „Arbeitsmärkte und Soziale Sicherung“ an der Universität Kassel. Zudem ist er Direktor am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.

Der Mangel an China-Kompetenz betreffe Wissenschaft und Wirtschaft, sagt Prof. Bonin. Er sei aber von großen Unternehmen häufig leichter zu bewältigen als von kleinen und mittleren Unternehmen und von Hochschulen. 

Wissens- und Technologieaustausch mit China unter der Lupe

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin heute in Berlin übergeben wurde, betrachtet den Wissens- und Technologieaustausch zwischen Deutschland und China. Der Vorsitzende der Kommission, Prof. Uwe Cantner von der Universität Jena, verweist darauf, dass sich die Volksrepublik China „zu einer der weltweit führenden Wirtschaftsnationen und einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands entwickelt“ hat. Die chinesische Regierung arbeite konsequent daran, „durch eine ausgeprägte staatliche Steuerung die regionale und globale Machtposition des Landes zu stärken. Dazu verfolgt sie auch das Ziel, in den kommenden Jahren die Technologieführerschaft in entscheidenden Zukunftsbranchen zu erwerben und zum weltweit führenden Innovationsstandort aufzusteigen.“ Deutschland habe ein großes Interesse an guten Kooperationsbeziehungen mit dem aufstrebenden Innovationsstandort China, so Prof. Cantner weiter. Es gebe aber Sorgen, dass durch einseitigen Abfluss von wissenschaftlichem und innovations- oder sicherheitsrelevantem Know-how und ungleiche Wettbewerbsbedingungen die wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungskraft Deutschlands geschwächt werden könnten.

Die Sorge, dass die Übernahme durch chinesische Investoren deutsche Unternehmen in ihrer Leistungskraft schwächt, erscheint laut der Kommission mit Blick auf die Daten aber bislang wenig begründet. So kommt eine von der Kommission in Auftrag gegebene empirische Studie zu dem Schluss, dass sich deutsche Unternehmen, die zu mehr als 50 Prozent oder vollständig von chinesischen Investoren übernommen wurden, im Hinblick auf die Beschäftigtenzahl, den Umsatz und die Patentanmeldungen nach der Übernahme nicht anders entwickelt haben als von anderen internationalen Investoren übernommene Unternehmen.

Eine im Auftrag der EFI durchgeführte Datenauswertung zu FuE-Tätigkeiten zeigt, dass Unternehmen, die von chinesischen Investoren übernommen wurden oder eine chinesische Beteiligung aufweisen, ihre FuE-Ausgaben und ihr FuE-Personal nicht verringern. Dennoch gibt die Expertenkommission zu bedenken, dass Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen durch chinesische Investoren grundsätzlich mit der Möglichkeit einer politstrategischen Einflussnahme verbunden sind. 

Expertenkommission fordert zentrale Kompetenzstelle

Die Expertenkommission empfiehlt der Bundesregierung, sich nachdrücklich für gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Direktinvestitionen für deutsche und chinesische Unternehmen einzusetzen. Darüber hinaus befürwortet sie die Pläne des BMWi, Unternehmensübernahmen durch ausländische Investoren im Bereich sensibler Technologien umfassender zu prüfen. Dafür sollten die hierbei einbezogenen Technologiebereiche zunächst benannt sowie klare und transparente Prüfkriterien entwickelt werden.  Die Expertenkommission spricht sich ferner für die Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle zur Beratung deutscher Wissenschaftler aus.

Die Kompetenzstelle sollte auch Kapazitäten vorhalten, um den erhöhten Informations- und Beratungsbedarf von KMU bei deutsch-chinesischen Forschungsprojekten zu decken. Forschung und Lehre, die zum Verständnis von aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in China beitragen, sollten gestärkt werden. Hierbei ist auf die Vermittlung von guten Kenntnissen der chinesischen Sprache zu achten. Darüber hinaus sollte es einen intensiven und kontinuierlichen Austausch über die Rahmenbedingungen und Perspektiven der Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und China geben, der mit den europäischen Partnern abgestimmt ist.

Hintergrund
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.