Öffentliche Vorlesungsreihe "Brasilien. Land der Zukunft oder der Vergangenheit"
Im Jahr 1941 schrieb Stefan Zweig im brasilianischen Exil das Buch „Brasilien. Ein Land der Zukunft“. Der Buchtitel galt in Brasilien für Jahrzehnte als Beiname des Landes. Gerechtfertigt wurde dies, da trotz massiver Probleme die Bevölkerung auf ausländische Besucher stets Hoffnung – also Zukunft - ausstrahlte. Oft wurde von den Brasilianerinnen und Brasilianer der melancholisch-ironischen Zusatz angefügt … eine Zukunft, die wir nie erreichen werden.
Dann geschah das Unwahrscheinliche. Mit der Wahl des linken Kandidaten Luiz Inácio Lula da Silva zum Präsidenten, der sein Amt am 1.1. 2003 antrat, hatte Brasilien seine Zukunft erreicht. Die ersten Jahre seiner Regierung waren von einem breiten gesellschaftlichen Aufbruch und Zukunftsgestaltung geprägt. Die Ernüchterung trat ein. Derzeit wird Brasilien von einem rechtsradikalen Präsidenten regiert. Von Aufbruch und Hoffnung ist wenig zu spüren. Seine Wiederwahl würde Brasilien zum Land der Vergangenheit machen. Aber was könnte die Zukunft sein?
Brasilien ist heute ein tief gespaltenes Land. Die Frage, ob es noch ein Land der Zukunft oder doch der Vergangenheit ist, werden die Vortragenden aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.
Die Teilnahme ist für max. 100 Personen in Präsenz möglich oder sie können sich zur online Teilnahme per Zoom bei Frau Klein anmelden: p.klein[at]uni-kassel[dot]de
Erster Vortrag:
Regina Reinart: Gott ist Brasilianer! Hat er aber derzeit einen Asylantrag gestellt?
Im einst überwiegend katholischen Brasilien mischen heute andere Konfessionen mit. Der Anteil der Katholikinnen und Katholiken ist gesunken, die Bevölkerung, die sich als evangelikal oder auch als nicht-gläubig bezeichnet, steigt. Dabei heißt es in Brasilien: „Deus é brasileiro“ („Gott ist Brasilianer“). Was steckt dahinter? Und inwiefern steckt – ähnlich wie in Deutschland - auch die katholische Kirche Brasiliens in der Krise. Hat die einst so bedeutende Theologie der Befreiung an Inspirationskraft verloren?
Regina Reinart ist ehemalige Ordensfrau, die viele Jahre in Brasilien gewirkt hat. Seit 2013 arbeitet sie im Brasilienreferat von MISEREOR. 2019 nahm sie an der Amazonassynode teil und hat darüber promoviert.