Was mich antreibt – Alireza Taherifard
Alireza Taherifard (34): Soziale Medien als Freiheitsräume im Iran
Ich habe Architektur und Innenarchitektur im Iran studiert und promoviere jetzt in Architekturtheorie bei Prof. Philipp Oswalt. Das Thema Online-Räume fanden wir beide spannend, weswegen ich mich bei meiner Dissertation für den Arbeitstitel „Photo and Video Sharing. Social Media and Urban Space in Teheran” entschieden habe. Visuelle Soziale Medien wie Instagram bieten für viele Iranerinnen und Iraner die Möglichkeit, dem Leben, das sie in privaten Räumen führen, einen öffentlichen Aspekt hinzuzufügen. Diese neuen „Bildräume“ bieten eine gewisse Freiheit innerhalb der sehr strengen Verhaltensregeln. Es ist faszinierend zu beobachten, wie junge Menschen die Möglichkeiten im Internet benutzen, um eine gewisse Freiheit zu leben und sich so ein Stück des öffentlichen Raums zurückerobern. So gibt es Beispiele von Jugendlichen, die eine Fashion-Show in einer U-Bahn-Haltestelle veranstaltet und diese auf Sozialen Medien gepostet haben.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Analyse der Darstellungen und Inszenierungen religiöser Räume und heiliger Stätten, wie z. B. Schreinen. Einerseits werden diese Orte gezielt von der Islamischen Republik inszeniert, um junge Menschen zu erreichen und zu beeinflussen, andererseits gibt es auch Personen, die sich selbst in heiligen Stätten fotografieren oder filmen, während sie legere Kleidung tragen, um ein subversiveres und modernes Verständnis von religiösem Leben zu zeigen. Meine Methodik ist eng verknüpft mit Theorien des „sozialen Raums“ und „Performanz“ und verbindet eine visuelle mit einer sozialen Semiotik. Ich untersuche neben Plattformen wie Twitter hauptsächlich Instagram, weil das, jedenfalls vor den aktuellen Protesten, von der Regierung nicht blockiert war. Seit Beginn der Proteste unterscheiden sich die hochgeladenen Inhalte allerdings sehr von den vorherigen, weswegen ich hauptsächlich analysiere, was davor gepostet wurde. Mittlerweile gibt es sogar eine CyberPolizei, die bestimmte Plattformen überwacht. Iranische Influencerinnen und Influencer – besonders Frauen – bekommen teilweise richtige Probleme, bis hin zum Berufsverbot. Es lohnt sich, das Feld der (Innen-) Architektur auf das weitgehend unerforschte Gebiet der Online-Bildräume auszuweiten, auch wenn ich glaube, dass deren Nutzung Grenzen hat. Denn sie befördern zwar die persönliche Freiheit und Ausdrucksmöglichkeit, leider fehlt ihnen allerdings nicht selten ein übergeordneter organisatorischer Aspekt, der zu soziopolitischen Veränderungen führen könnte.
Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2023/1. Protokoll: Sofie Althoff